Suprakolloidale Assoziierung von adaptiven Bausteinen
Wir untersuchen die Selbstorganisation von adaptiven Kolloiden nach den Hauptkonzepten der supramolekularen Chemie: Selektivität, Spezifität und Dynamik [1]. Zusammengesetzte Kern-Schale Mikrogele, die mit verschiedenen Größen, Formen und Funktionalitäten entworfen sind, werden für diesen Zweck verwendet. Durch die Nutzung der thermoresponsiven Schale können die interpartikulären Wechselwirkungen fein und reversibel gesteuert werden, wodurch die selektive, spezifische und dynamische Assoziation der verschiedenen Bausteine gesteuert wird.
Diese Forschungsrichtung zielt darauf ab, zu verstehen, wie Ordnung aus einer Mehrkomponentenmischung interagierender Partikel entsteht. Das Hauptziel ist die Entwicklung von Selbstorganisationsregeln, die zum grundlegenden Verständnis komplexer biologischer Prozesse beitragen und einen wichtigen technologischen Schritt in Richtung „Selbstherstellung“ von nanostrukturierten Hybridmaterialien ermöglichen.
Im Folgenden finden Sie einige Highlights unserer aktuellen Projekte.
Formkomplementarität für spezifische und selektive Selbstorganisation
So genannte Schlüssel-Schloss-Interaktionen, d. h., die bevorzugte Assoziation von molekularen Bausteinen mit komplementären Formen, sind in der Biologie allgegenwärtig, wo sie beispielsweise die Wechselwirkungen zwischen Enzymen und ihren Substraten beschreiben. Sie liefern auch die Grundlage für die Bildung wohldefinierter molekularer Komplexe mit supramolekularer Chemie. Dieser Ansatz von der molekularen Welt wurde nun erfolgreich auf die kolloidale Domäne übertragen, d. h. auf viel größere synthetische Partikel mit komplementären Formen.
Figure 1: Confocal micrographs of the lock-and-key self-assembly into colloidal molecules with thermo-responsive valence. Scale bars: 1 µm. Reproduced from Ref. [2].
Wir untersuchen die Assoziierung zwischen entgegengesetzt geladenen wärmeempfindlichen synthetischen Schloss- und Schlüsselpartikeln. Gestützt auf Modellrechnungen zeigen die Experimente die hohe Spezifität der Anordnung, die durch die Bildung definierter Cluster, sogenannter kolloidaler Moleküle, hervorgehoben wird. Die Schloss- und Schlüsselpartikel zeigen temperaturabhängige Veränderungen in Größe und Konformation, die ermöglichen, die "Wertigkeit" der kolloidalen Moleküle reversibel abzustimmen (siehe Abbildung). Dieser reversible temperaturabhängige dynamische Selbstorganisationsprozess kann als das kolloidale Analogon der adaptiven Chemie angesehen werden. Die sich abzeichnenden Assemblierungsregeln könnten neue Wege für die Erzeugung hierarchischer definierter Strukturen bereitstellen, die reversibel durch externe Stimuli gesteuert werden können. Diese Arbeit wurde in Science Advances [2] veröffentlicht. Wir arbeiten derzeit an der Erweiterung dieses Ansatzes an komplexeren Geometrien und deren Modellierung mit Monte-Carlo-Simulation (Simulation: Björn Stenqvist).
In Zusammenarbeit mit: Peter Schurtenberger (Lund, Sweden), Mikael Lund (Lund University, Sweden), Martin Trulsson (Lund University, Sweden), Adriana Mihut, Björn Stenqvist
Video: „Colloidal Molecules with Tuneable Valency via Lock and Key Self-Assembly“
Steuerung der Selbstorganisation anisotroper Bausteine unter externen Feldern
Aktuelle Studien versuchen die reversible Bildung von stabilen Mikrotubuli und Viren zu verstehen. Wir haben gezeigt, dass selbst einfache ellipsoide Kolloide sich reversibel zu regulären Röhrenstrukturen selbstorganisieren können, wenn sie einem elektrischen Wechselfeld ausgesetzt werden. Unsere Beobachtungen zeigen, dass die Bildung von röhrenförmigen Strukturen durch Selbstorganisation viel weniger geometrische und Interaktionsspezifität als bisher angenommen erfordert und unser gegenwärtiges Verständnis der minimalen Anforderungen an die Selbstorganisation in reguläre virusähnliche Strukturen vorantreibt [3,4].
Abbildung 2: A. Konfokale Mikrofotografie von ellipsoidalen Mikrogelen. B. Querschnitt einer Rohranordnung, beobachtet unter der Anwendung eines alternativen elektrischen Feldes. C. Konfokale 3D-Rekonstruktion eines Röhrchens. D. Modellrechnung des Wechselwirkungspotentials. E. Monte-Carlo-Simulation der Montage. Reproduziert von Ref. [3].
Wir erweitern diesen Ansatz derzeit auf dichtere Dispersionen und andere Partikelgeometrien, um schaltbare Überstrukturen zu erzeugen. Parallel dazu untersuchen wir die Polarisierbarkeit der verschiedenen Partikel durch eine Kombination von Mikroskopie- und Streuung Techniken.
Video: „Dipolar Self-Assembly of Ellipsoidal Composite Microgels in an ac Electric Field“
Video: „Dipolar Self-Assembly of Bowl-Shapep Composite Microgels in an ac Electric Field“
In Zusammenarbeit mit: Peter Schurtenberger (Lund University, Sweden), Jan Vermant (ETH Zürich, Switzerland), Joakim Stenhammar (Lund University, Sweden), Erik Bialik, Adriana Mihut, Arash Azari, Jan Dhont (Forschungszentrum Jülich, Germany)
Selbstorganisation mit komplexen Feldern bilden
Abbildung 3: Inhaltsverzeichnis „Multiscale directed self-assembly of composite microgels in complex electric fields“ Soft Matter 2017, 13, 88 [5].
Lokalisierte elektrische Felder werden für die reversible gerichtete Selbstorganisation kolloidaler Teilchen in drei Dimensionen verwendet. Elektrische Feldmikrogradienten, die sich aus der Verwendung von mikrostrukturierten Elektroden ergeben, wurden verwendet, um die Lokalisierung und Selbstorganisation polarisierbarer Teilchen zu steuern, die aus einer Kombination dielektrophoretischer und multipolarer Kräfte resultieren. Durch die Erweiterung dieses Ansatzes auf konzentrierte binäre Dispersionen, die aus polarisierbaren und weniger polarisierbaren Mikrogelen bestehen, bietet die Thermosensitivität der Mikrogele die Möglichkeit, den effektiven Volumenanteil und die Dynamik des Systems einzustellen und die Anordnung der feldempfindlichen Teilchen durch "Erstarren" zu verbessern eine Temperaturlöschung von ihrem anfänglichen flüssigen Zustand in einen arretierten kristallinen Zustand. Die reversible Erstarrung ermöglicht es uns, verschiedene dreidimensionale Anordnungen durch Variieren der angelegten Feldfrequenz neu zu schreiben.
Die Arbeit wurde in der Sonderausgabe der Soft Matter über Emerging Investigators hervorgehoben [5]. Es wurde kürzlich auf ein komplexeres Kraftfeld erweitert, indem zwei strukturierte Elektroden übereinandergelegt wurden, um 3D-Strukturen zu erzeugen [6].
In Zusammenarbeit mit: Ahmed F. Demirörs (ETH Zürich, Germany)
Video: „Micro light shutter field on“
Video: „Micro light shutter field off“
Presseartikel
Referenzen
[1] J.M. Lehm, Chem. Soc. Rev., 2007, 36, 151
[2] A.M. Mihut, B. Stenqvist, M. Lund, P. Schurtenberger, J.J. Crassous, Science advances, 2017, 3, e1700321
[3] J.J. Crassous, A.M. Mihut, E. Wernersson, P. Pfleiderer, J. Vermant, P. Linse, P. Schurtenberger, Nature Commun., 2014, 5, 5516
[4] A. Azari, J.J. Crassous, A.M. Mihut, E. Bialik, P. Schurtenberger, J. Stenhammar, P. Linse, Langmuir, 2017, 33, 13834
[5] J.J. Crassous, A.F. Demirörs, Soft Matter, 2017, 13, 88
[6] A.F. Demirörs, J.J. Crassous, Soft matter, 2017, 13, 3182